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Mannheimer Morgen, Freitag 1. Juni 2007
Domorganist gab ein wunderbares Gastspiel
Ortgelbauverein: Christoph Keggenhoff konzertierte in der Lutherkirche mit Werken von Buxtehude.
Neckarhausen. Auch die ganz Großen
hatten ihre Vorbilder. So wanderte einst der junge Johann Sebastian
Bach von seiner früheren Wirkungßtätte Arnstadt nahe Erfurt ins über
400 Kilometer entfernte Lübeck, um von Dietrich Buxtehude zu lernen.
Das war 1705, zwei Jahre, bevor dieser bedeutende Barock-Komponist
starb. Im Rahmen einer Konzertreihe zu Buxtehudes 300. Todesjahr gab
jetzt Christoph Keggenhoff, Domorganist in Speyer und anerkannter
Orgel-Experte, ein wunderbares Gastspiel in der Lutherkirche.
Eins gleich vorweg: Die neue Remy-Mahler-Orgel, voriges Jahr noch wegen
der ein oder anderen „Kinderkrankheit” in der Kritik, konnte an diesem
Abend durch saubere Intonation und eine Fülle schöner Klangfarben
überzeugen. Dies zur Freude und sicher auch zur Erleichterung von Peter
Krüger, dem Vorsitzenden des veranstaltenden Orgelbauvereins, sowie von
Orgelbauer Mahler, der extra aus dem Elsaß gekommen war. Natürlich sind
Klänge immer auch Geschmacksache - so bestechen bei dieser in
französischem Stil gebauten Instrument in den Ohren des MM-Schreibers
ganz besonders die dezenten Register, etwa die weich hauchenden Flöten,
die zarten Gamben oder die geheimnisvollen „Tierce”.
Gewöhnungsbedürftig ist allerdings der bisweilen markerschütternde Baß.
Er komm, wie uns Orgelbauer Mahler erläuterte, aus den größten,
hölzernen(!) Pfeifen, die als einzige hinten, außerhalb des Gehäuses
stehen und direkt zur Decke strahlen. „Die
Orgel ist bezahlt, aber der Kredit ist noch nicht beglichen”, warb
Peter Krüger eingangs dieses Gratis- Konzerts bei den 80 Besuchern um
Spenden und weitere Unterstützung. Dann eröffnete Christoph Keggenhoff
mit der Buxtehudes Toccata in D-Moll
das gut einstündige, kontrastreiche Programm. Wobei der Signal-Beginn
über tiefem Orgelpunkt gleich Bachs berühmtester Toccata gleicher
Tonart, die ganz ähnlich - und eigentlich J.S.-untypisch - einsetzt?
Wenn diese Welt-Pretiose überhaupt von Bach stammt, hier zweifeln
manche Experten... Zurück zu Buxtehude und deßen enorm vielfarbiger,
ideenreicher, Tonschmiedekunst im Barocken „Stylus Phantasticus”. Wohl
ist unser Ohr heute ganz andere Klang- Fantastereien gewohnt. Doch
überraschend, und das ausgesprochen positiv, können Buxtehudes häufige
Wechsel zwischen streng Gefügtem und freieren, oft wie improvisiert
hingeworfenen Paßagen immer noch. So im reizvoll vielfarbigen
Praeludium in G-Moll oder im Te Deum laudamus mit seinen immer neu
ansetzenden Ideen, die modern gesprochen wie ein „brain storming”
verschiedenster Motive, Figuren und auch Rhythmen wirken. Verblüffend
kraße Registerwechsel - die Gattin des Organisten aßistierte -
unterstrichen dieses Spiel mit der Abwechslung noch.
Zudem baute Keggenhoff bei den zehn Stücken selbst auf den Kontrast.
Breiter angelegten, lobpreisenden Werken ließ er jeweils ein kürzeres,
demutsvolles wie „Komm heiliger Geist Herre Gott” folgen. Erst recht
machte die Virtuosität des Domorganisten, Dozenten und
Choralschola-Leiters das Konzert zum Genuß. Traumhaft sicher und
trennscharf führte Keggenhoff selbst durchs dichteste vielstimmige
Geflecht, interpretierte mit viel Gefühl und Ausdruck, und wie der
Maestro die rasend schnellen Baßläufe über die gesamte Fußpedal-Breite
wirbeln ließ - für die Zuschauer unterm Altartisch hindurch toll zu
sehen - das war auch gymnastisch eine Meisterleistung. (KrV)
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